ich hab mit @uwebusch am Wochenende seine Parkbremse instand gesetzt. Die Parkbremse war im Modul verklemmt (lautes Kreischen!) und zudem sind neue Parkbremsbeläge und Bremsscheiben fällig gewesen.
Das Kreischen wird durch die :) behoben, indem die das Parkbremsmodul für saftige 1.200 € austauschen. Das ist aber fast NIE notwendig, es ist einfach innerlich verklemmt. Basis für die Reparatur hier ist dieser englische Thread und natürlich Bodsys Brake Bible, basiert auf Disco 3, einige Angaben (Service Mode, Sicherungen,...) passen nicht 100% auf den D4. Empfohlen wird immer, die Sicherung des Parkbremsmoduls zu ziehen (FL8 im Sicherungskasten im Motorraum, ggf. im Handbuch prüfen) - um ein versehentliches Anziehen der Bremse zu verhindern.
Der erste schwierige, langwierige und Finger-brechende Part ist das Öffnen des Parkbremsmoduls. Es liegt hinter dem hinteren Differenzial und man muss von unten zwischen Differenzial und den Auspuffrohren hantieren - z.T. blind. Mit einem Torx 20 und einer kleinen Knarre kann man mit Geduld die 8 Schrauben des Deckels entfernen. Der Deckel ist mit Karroseriekleber abgedichtet, dementsprechend sitzt er extrem fest. Hier sind rabiate und kraftvolle Methoden nötig (großer Schraubenzieher, seitlich vom Radkasten aus Abhebeln oder von unten mit einer gebogenen Brechstange. Nicht aufgeben, das Ding geht ab!
Innen wird man dann folgendes Bild sehen (hier ist die Verklemmung rechts bereits gelöst):
parkbremsmodul-kreischen-loesen.jpg
Im Bild seht ihr rechts eine viereckige Platte mit Gewindestange (das ist der Zug zu den Belägen auf der Fahrerseite) und direkt folgend die Spindel, die die Verstellung der Parkbremse ermöglicht. Wenn es kreischt, dann verklemmt die Spindel mit der Viereckplatte, weil der Zugweg nicht mehr groß genug war. Die Bremse macht extrem viel Kraft und kann die Spindel dann nicht mehr von der Platte lösen.
Das ist zur Reparatur dann die Herausforderung: Die Spindel muss in der obigen Ansicht gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden. Die Erhöhungen auf der Spindel kann man mit einem stabilen Schraubenzieher dann versuchen in die richtige Richtung zu bewegen, im Bild oben würde ich den Schraubenzieher an die untere Erhöhung ansetzen und dann mit einem Hammer FESTE zuschlagen. Auch hier gilt: Nicht aufgeben, verschiedene Methoden testen, z.B. Hebeln gegen den Plastikrand, Verdrehen eines breiten, flachen Schraubenziehers oben gegen den Rand... - wenn die Spindel gelöst ist, mit Geduld und Spucke die Spindel weiter drehen, bis sie ein ganzes Stück weg ist vom Viereck.
Nach dem Lösen der Spindel auf KEINEN Fall die Parkbremse aktivieren oder andere Funktionen (Unjam) o.ä. ausführen lassen - die einzige Funktion, die jetzt aktiviert werden darf ist der Service Mode (auch "mounting position"). Beim Disco 4 kann diese entweder über den Werkstatt-Computer erreicht werden oder mit einem Faultmate MSV-2. Mit IID-Tool leider nicht, ohne Gerät JETZT auch nicht. Zieht man jetzt die Bremse normal an, dann kann man von vorne anfangen und die Spindel erneut lösen.
Wer kein Faultmate hat - zwei Lösungen:
1) Die Spindel von Hand komplett zurückdrehen bis zum Anschlag (= Wiedereinhaken der Notkopplung links) und zur kompletten Entspannung der Bremsseile - das ist extrem nervig und langwierig, wird einige Kratzer an den Händen bedeuten, ist aber der beste Weg! Danach kann man direkt an den Rädern nach Bodsys Brake Bible die Beläge einstellen (Kapitel 8).
2) Spindel für mehr Weg noch mind. 2 cm weiterdrehen, dann an den Rädern die Parkbremsbeläge nachstellen (vgl. Infos in Bodsys Brake Bible), dass sie sofort greift. Dann manuell den Einbettungsmodus aktivieren, der fährt das Modul auch komplett auf entspannte Bremsseile.
Den Einbettungsmodus ("Embedding Mode") aktiviert man manuell mit folgendem Vorgehen beim Disco 4:
- Motor starten, Bremspedal lösen, Prozedur wie folgt starten
- Bremspedal 3x treten und beim 3. Mal durchgedrückt halten
- 4x den Parkbremsschalter ziehen
- 3x den Parkbremsschalter drücken
- alles innerhalb 10 Sekunden
Nachträgliche Ergänzung - besser Ausbau des EPB:
Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Demontage des EPB-Moduls viel einfacher ist, als das Hantieren unterm Auto/hinterm Differential. Bei der ersten Demontage sind folgende Punkte vielleicht hilfreich und zu beachten. Das Modul kann nach dem Lösen der beiden Bremsseile an den Rädern UND dem Notentriegelunsseil unter der Schaltkulisse (nach unten herausziehen) komplette mit den drei montierten Bremsseilen im Radkasten auf der Beifahrerseite herausgezogen werden. Im Handbuch wird dazu die dort im Wege stehende Bremsleitung demontiert - das geht aber gut mit leichter Gewalt und viel mehr Geschick ohne Demontage der Bremsleitung.
Das größte Problem "beim ersten Mal" ist das Herausziehen der Handbremsseile am Rad selbst. Die innere Plastiktülle und auch die äußeren Plastikschrauben sind i.d.R. extrem festkorrodiert - hier hilft viel WD40, Geduld in Kombination mit vorsichtiger Ruckelei, an der richtigen Stelle aber auch rohe Gewalt mit ruhig ein paar Einbußen an dem Plastikzeugs.
Nach dem Ausbau sind obige Schritte auf der Werkbank viel einfacher:
- Deckel öffnen (und nachher mit nicht stark klebendem Silikon/Acryl wieder verschließen)
- Spindel zurückdrehen (dann leicht von Hand auch KOMPLETT machen)
Hier noch mal ein Foto vom geöffneten Parkbremsmodul im entspannten Zustand (Service Mode), in dem man die Einstellungen an den Rädern vornehmen kann:
parkbrake-module-clutch-reengaged.jpg
Nun kann man entweder die Beläge erneuern oder direkt die Parkbremse einstellen (vgl. beides wieder Bodsys Brake Bible). Eigentlich ist aber immer eine Säuberung notwendig. In dem Zug hat man die Bremsscheiben eh in der Hand, daher diese ggf. vorher auch prüfen und mit erneuern.
Wenn man neue Beläge eingebaut und eingestellt hat, die Bremse prüfen und nach Fertigstellung erneut den Einbettungsmodus starten - nach Bodsys Brake Bible die Beläge einfahren. Und nicht zu lange warten und die Beläge erneut Nachstellen an den Rädern!
Wenn alles funktioniert, dann kann man die Klebereste auf dem Deckel des Parkbremsmoduls entfernen und diesen abgedichtet mit Acryl oder Silikon - etwas, was weniger klebt - wieder aufsetzen und festschrauben.
Erfahrungswerte, warum die saubere Einstellung so wichtig ist: Nach dem Einbau der neuen Komponenten (Beläge + Scheiben) liegt der Restspielraum im Bremsmodul nur bei ca. 0,5 cm auf der Spindel. Nach dem Einstellen waren es dann wieder rund 4 cm. Man kann sich dementsprechend vorstellen, wie schnell das Gekreische wieder los geht...
Wir haben die Arbeit des Parkbremsmoduls mal im Video festgehalten:
Arbeit im Modul ohne Justage an den Rädern: http://www.youtube.com/watch?v=Yj5D4CE7Vt4
Und nach erfolgreicher Einstellung: http://www.youtube.com/watch?v=CGmd7R6F7xY
Hier sieht man, wie die Kupplung des Notentriegelung wieder einrastet (nach dem Lösen der Spindel): https://youtu.be/EmI3KZ3z7oY
Und hier die gesammelten Werke bei Flickr: http://www.flickr.com/photos/gseum/a...57683335752315
Alles hier geschriebene hab ich erst mal frei aus dem Kopf zusammengeschrieben - vielleicht noch etwas wirr, aber alle wichtigen Infos sollten enthalten sein.
Ergänzungen sind willkommen - vielleicht kennt jemand den Trick für eine manuelle Aktivierung des Service Mode beim Disco 4?
Schönen Gruß
Jürgen
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